Ausdauer kontra Resignation

Veröffentlicht am 27.12.2003

Am Morgen rumort mir etwas der Magen von den ungewohnten Leckereien gestern. Mariano wird heute abreisen und wir freuen uns schon auf den Genuss der Ruhe. Die Kühe hatten sich befreit und wurden unter großem Hallo und Gelächter wieder aus dem ganzen Dorf zusammengesucht.
Roberto kommt zum Schwatzen und Häuserbasteln zu Tomás. Nachdem es am Morgen ziemlich kühl war ist die Sonne eine Stunde später schon wieder unbarmherzig knallig. Jeder sucht ein Schattenplätzchen. Und so kommen noch Matias, Marcellino und José dazu, bis wir dann „Big Fish“ (Mariano) alle gemeinsam zum Boot bringen.
Inzwischen haben die Jugendlichen eine neue Weide gebaut. Ich bin sehr erstaunt, daß die Kühe dieses hohe, harte, rötliche Gras fressen. Es sieht etwas aus wie eine kleine Form von Zuckerrohr. Vielleicht ist das die Weihnachtssüßigkeit für Kühe.
Ich muß dringend Flüssigkeit tanken. Dann wasche ich zum ersten Mal richtig groß Wäsche. Eingeweicht mit etwas Waschpulver im lauwarmen Regenwasser, wird dann alles im kristallklaren Rio Cheni gründlich gespült. José macht es ganz praktisch. Er zieht sich die Sachen an und spült sie, während er im Bach herumplanscht.
Am Nachmittag kommen die Familien und melden ihre Kinder zur Taufe an. Tomás wird oft gefragt, welche Rolle der Mission bei den Indios zukommt. Zuerst sagt er meist, daß er es nicht weiß. Auf Nachfrage: Nicht, große Dinge anzupacken, sondern zuallererst einmal da zu sein. Als Instanz, als Treffpunkt, der von allen akzeptiert wird. Ausdauer, langer Atem und Vertrauen in die Wahrhaftigkeit der Berufung sind nötig.
Tomás hält es für ausgeschlossen, daß Mariano mit 74 Jahren, seinem Charakter und seinen Ansichten noch einmal neu in Cutivireni anfangen kann. Mariano ist jetzt in San Ramon beim Bischof, um wegen Cutivireni Gespräche zu führen.
Tomás sagt, daß es sehr schwer ist, das Leben im Dschungel gegen Resignation und Routine mit Ausdauer zu leben. Manchmal fragt er sich: Was mache ich hier eigentlich? Doch dann kommen plötzlich nach einigen Jahren des geduldigen Wartens die Leute und fragen; könnten wir nicht eine Hühnerfarm aufbauen oder eine kleine Kirche? Und dann weiß er wieder, warum er da ist.